Worauf sich Wohnungsunternehmen beim Klimaschutz gefasst machen müssen

Die Bundesregierung und die Europäische Union werden die Wohnungswirtschaft im Jahr 2023 vor noch nie dagewesene Herausforderungen stellen, um die Dekarbonisierung der deutschen und europäischen Wohnlandschaft voranzutreiben. Unternehmen, die diese Mammutaufgabe alleine angehen wollen, sind zum Scheitern verurteilt.

Denn in Zeiten des Fachkräftemangels ist der gemeinsame Austausch von Ideen und Erfahrungen der beste Weg, um als Branche geschlossen Antworten auf die vielen Fragen zu finden, die sich stellen.

Am 30. März 2023 bietet sich dazu beimFührungsforum „Klimaneutralität und Energiemanagement“ der EBZ Akademie die Möglichkeit.

 

Interview mit Axel Gedaschko, Felix Lüter und Oliver Niermann

Welche Herausforderungen auf die Unternehmen der Wohnungswirtschaft zukommen werden und welche Anstrengungen nötig sind, um sie zu bewältigen, erklären Axel Gedaschko (Präsident des GdW), Felix Lüter (Leiter Nachhaltigkeitsmanagement bei der Nassauischen Heimstätte | Wohnstadt) und Oliver Niermann (Abteilungsleiter beim VdW RW und unter anderem zuständig für Wohnungs- und Städtebauförderung) im Interview.

 

Was sind aus Ihrer Sicht für das Jahr 2023 die größten Herausforderungen rund um das Thema Klimaneutralität?

Felix Lüter: Nach der Zinswende, den Baukostensteigerungen der letzten Jahre und den weiteren harten Veränderungen des vergangenen Jahres ist eine der größten Herausforderungen sicherlich, weiter die Bestandsentwicklung in Richtung Klimaneutralität mit Nachdruck voran treiben zu können, ohne in wirtschaftliche Schieflage zu geraten. Bezüglich der gesamten Rahmenbedingungen braucht es dringend ein Gesamtkonzept, statt vielen kleinen Einzelmaßnahmen, um ein verlässliches und funktionierendes Umfeld für die Klimaneutralität im sozialen Wohnungsbau zu schaffen.

Axel Gedaschko: Die neuen Anforderungen an die Klimaneutralität im Gebäudesektor, die im Jahr 2023 auf uns zukommen, müssen mit einer auskömmlichen Förderung versehen werden. Die Anforderungen werden dieses Jahr sowohl auf europäischer als auch auf nationaler Ebene fixiert. Hier kommt es auf darauf an, dass der Weg zur Klimaneutralität intelligent konzipiert und umgesetzt wird. In jedem Fall jedoch wird er sehr viel Geld kosten. Es geht um eine Gemeinschaftsaufgabe, die auch gemeinschaftlich bewältigt werden muss. Daher ist eine auskömmliche und nachhaltige Förderung nicht nur legitim, sondern zwingend erforderlich. Die Förderung der klimaschützenden Maßnahmen wird im Wohnungssektor die größte Herausforderung des Jahres 2023.

Oliver Niermann: Die explodierenden Baukosten zusammen mit der aktuellen Zinswende stellen eine enorme Herausforderung dar, da sie Modernisierungsmaßnahmen erheblich teurer machen. Gleichzeitig führen Fachkräftemangel und Lieferengpässe zu Verzögerungen auf der Baustelle. Hinzu kommt, dass die neuen Förderbedingungen der BEG weniger attraktiv und mit höheren Auflagen verbunden sind. Insgesamt ist abzusehen, dass diese Voraussetzungen dazu führen werden, dass die Modernisierungsrate in diesem Jahr zurückgeht, obwohl sie eigentlich steigen müsste, um die Klimaziele im Gebäudesektor zu erfüllen.

 

Welche Aufgaben abgeleitet aus den klimaneutralen Anforderungen (rechtlich, finanziell, technisch) kommen auf die Wohnungsunternehmen zu?

Felix Lüter: Aus meiner Sicht bleibt ungeachtet der äußeren Rahmenbedingungen die Erstellung einer Klimastrategie eine wesentliche Basis, um notwendige Schritte, Möglichkeiten und Aufwand sowie Zieljahr bis zum klimaneutralen Bestand richtig einzuschätzen. Nur auf Basis einer solchen Planung kann ich die richtigen Schritte vornehmen und mich gegenüber meinen Anspruchsgruppen argumentativ positionieren. Zur Herausforderung der Finanzierbarkeit habe ich bereits eben geantwortet. Dieses Jahr steht die Finalisierung der GEG-Novelle sowie der Aktualisierung der Europäischen Gebäuderichtlinie EPBD neben vielen anderen Aspekten im Fokus. Beides sollten Wohnungsunternehmen mit Blick auf ihr Risikomanagement prüfen: Aus der geplanten GEG-Novelle resultieren v.a. umfangreiche Verpflichtungen zum Austausch fossiler Heizungsanlagen.

Axel Gedaschko: Dieses Jahr wird aller Voraussicht nach gleich zweimal das Gebäudeenergiegesetz novelliert: Die Wohnungsunternehmen müssen sich darauf einstellen, ab 2024 65% der Wärme aus Erneuerbarer Energie zu beziehen und sich im Neubau auf den EH 40-Standard einstellen. Hierfür sind Güter erforderlich, die in der aktuellen Situation dramatisch knapp sind – etwa Wärmepumpen und Solarzellen. Sollte die EPBD in der aktuellen Diskussionsfassung des Parlamentes verabschiedet werden, müssten 45% der Wohngebäude in Deutschland in den kommenden neun Jahren saniert werden. Das würde eine Erhöhung der Sanierungsquote um bis zu 400 % bedeuten – in einer Zeit, in der die Inflation bei knapp 8% liegt, die Zinsen sich verdreifacht haben und viele Materialien überhaupt nicht zu bekommen sind. In Summe: Die Wohnungsunternehmen sollen mehr vom kaum Verfügbaren zu explodierenden Preisen unter miserablen Finanzierungsbedingungen einkaufen.

Oliver Niermann: Ganz konkret kommen sowohl bürokratische als auch technische Aufgaben auf die Wohnungsunternehmen und -genossenschaften zu. Zum einen wird uns das CO2-Kostenaufteilungsgesetz beschäftigen, denn für jedes Gebäude muss eine Einteilung im Stufenmodell erfolgen. Ein weiteres Thema wird die Erstellung von CO2-Bilanzen und Klimastrategien sein, auf erste Unternehmen kommt in Kürze noch die Pflicht zur Nachhaltigkeitsberichterstattung zu. All diese Themen sind mit hohem bürokratischen Aufwand verbunden und bedürfen einer gewissen Vorbereitungszeit. Dazu kommen noch die technischen Aufgaben, darunter der durch die EnSimiMaV geforderte hydraulische Abgleich, und die eigentliche energetische Modernisierung, die durch die geplante Pflicht zum Einbau von Heizungen mit mindestens 65 Prozent Erneuerbaren Energien auch im Bestand noch einmal verschärft wird.

 

Was empfehlen Sie Wohnungsunternehmen, wie klimaneutrale Anforderungen optimal umgesetzt werden können? Was hat sich insbesondere hinsichtlich der Mieterkommunikation in den letzten drei Jahren geändert?

Axel Gedaschko: Wir haben druckfrisch die neue Studie „Wohntrends 2040“ vorliegen, die bemerkenswerte Aussagen über die Erwartungen der Mieterinnen und Mieter enthält. Es gibt noch immer den Wunsch nach Nachhaltigkeit, gleichzeitig nimmt jedoch die Sensibilität für Kostensteigerungen spürbar zu. Da kommen wir zur Quadratur des Kreises. In der Mieterkommunikation müssen wir versuchen, die Zusammenhänge zu erklären und auch eine Koalition zu bilden, die den Gesetzgeber und die Regierung massiv auffordert, die Bezahlbarkeit der Klimaanstrengungen sicherzustellen. Was macht ein Unternehmen, dem die Kosten explodieren? Es erhöht seine Preise bis zur Nachfragegrenze. Unsere Wohnungsunternehmen können, dürfen und wollen das nicht. Dann bliebe nur noch, das Produkt einzustellen – bei Wohnraum unvorstellbar. Dieses Dilemma muss berücksichtigt werden!

Oliver Niermann: Angesichts der vielen Herausforderungen ist es wichtig, verfügbare Mittel so effizient und effektiv wie möglich einzusetzen. Daher sollten unbedingt zunächst durch eine CO2-Bilanz die Gebäude mit den meisten Emissionen ermittelt werden, denn dort ist der Handlungsbedarf am größten. Anschließend können durch eine Klimastrategie die notwendigen Maßnahmen individuell identifiziert und passende Lösungen gefunden werden. Dann gilt es, diese umzusetzen und auch die Mieterschaft zu sensibilisieren. Dass das Heizverhalten eine wichtige Rolle spielt, ist in den letzten Jahren immer stärker ins Bewusstsein gerückt und muss den Mieterinnen und Mietern ebenso kommuniziert werden, wie die Notwendigkeit möglicher Mieterhöhungen durch Modernisierungsmaßnahmen.

 

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