Berufliche Erwartungen von Auszubildenden der Wohnungs- und Immobilienwirtschaft

Für Immobilienunternehmen wird es zunehmend wichtiger, die Erwartungshaltungen von Arbeitnehmern zu kennen, um mit aktuellen Methoden und Instrumenten auf deren Ansprüche eingehen zu können. Die in Aussicht gestellte Erwartungserfüllung sollten Mitarbeiter mit einer steigenden Bindung belohnen. In Zeiten eines angespannten Arbeitsmarktes ein klarer Wettbewerbsvorteil. Studien verweisen jedoch auf einen Einstellungs- und Wertewandel der zwischen 1980 und 2000 Geborenen – auch Generation Y genannt – im Vergleich mit ihrer Vorgängerkohorte, der Generation X.

Mittels einer empirischen Befragung von Auszubildenden in Immobilienunternehmen wollten wir mehr über die beruflichen Erwartungen der Jüngsten dieser Alterskohorte erfahren. Das Ziel war es, Immobilienunternehmen empirisch gestützte Hinweise zur Gestaltung attraktiver Arbeitsbedingungen zur Mitarbeiterbindung zur Verfügung zu stellen. Nachfolgend werden einige Ergebnisse der Studie berichtet und Anregungen zur Gestaltung moderner Arbeitsbedingungen gegeben.

Die Stichprobe

Befragt wurden 70 Berufsschüler des EBZ Berufskollegs. Der Anteil weiblicher Berufsschüler in unserer Stichprobe liegt etwa 10 % über dem Anteil der männlichen Berufsschüler. Etwa ein Viertel der Befragten gibt ein Alter unter 20 Jahren an, wobei das Gros in unserer Stichprobe zwischen 20 und 24 Jahre liegt. Hinsichtlich der Verteilung der Bundesländer, in denen die Berufsschüler ihre Ausbildung absolvieren, lässt sich eine hohe Konzentration auf in Nordrhein-Westfalen angesiedelte Unternehmen erkennen. 34,3 % der befragten Berufsschüler geben an, ein Hochschulstudium aufnehmen zu wollen, während lediglich 17,1 % dies klar ausschließen. Knapp die Hälfte der Befragten (48,6 %) ist sich diesbezüglich noch unsicher und zieht ein Hochschulstudium vielleicht in Betracht.

Familiensinn vor Freizeitorientierung

Nicht selten wird postuliert, dass Angehörige der Generation Y ihre Freizeit höher gewichten als die Arbeit. Unsere Ergebnisse zeigen ein differenzierteres Bild: Zwar geben die befragten Berufsschüler im Mittel an, ihre Arbeitszeit reduzieren zu wollen, wenn dies die familiäre Situation erfordert. Einen Arbeitsauftrag zugunsten der Freizeit ablehnen würden aber nur sehr wenige. Unsere Befragten scheinen demnach sehr deutlich zwischen der Verantwortungsübernahme für die Familie und dem eigentlichen Freizeitverhalten (u.a. Hobbys) zu unterscheiden. Hinweise auf eine ausschließliche Freizeitorientierung der Auszubildenden in Immobilienunternehmen zeigen sich in unserer Stichprobe somit nicht.
Arbeitgeber können auf die starke Familienorientierung dieser Zielgruppe reagieren, indem sie ihren Mitarbeitern gezielt Freiräume für die Wahrnehmung familiärer Verpflichtungen anbieten. Dies können Sonderurlaubsregelungen für Familienfeiern oder aber Freistellungen für die Pflege von Angehörigen sein.

Freie Zeiteinteilung und Auszeiten erwünscht

Die Mehrzahl der Befragten erachtet für sich einen wöchentlichen Arbeitsumfang zwischen 35-40 Stunden als optimal. Lediglich 10 % geben in unserer Befragung an, weniger als 25 Stunden arbeiten zu wollen. Wohl aber wünscht sich die Mehrzahl der Befragten die Möglichkeit zur freien Einteilung der Arbeitszeit. Ebenso eindeutig sprechen sich die Befragten für die Möglichkeit einer mehrmonatigen beruflichen Auszeit – einem sog. Sabbatical – aus. Für 73% der Auszubildenden ist diese Option wichtig bzw. sehr wichtig. Eine Auszeit von mehr als drei Monaten können sich allerdings nur sehr wenige vorstellen. Das Gros präferiert eine Auszeit von drei Monaten oder weniger.
Arbeitgeber können die hier geäußerten Erwartungen in ihren personalpolitischen Instrumenten zur Arbeitszeitregelung aufgreifen. Auf Arbeitszeit-konten lassen sich beispielsweise Teile der Arbeitszeit flexibel ansparen, die dann für die Überbrückung längerer Auszeiten genutzt werden können. Zu beachten sind dabei allerdings eine Reihe rechtlicher und insbesondere steuerrechtli-cher Bedingungen (z.B. hinsichtlich der Insolvenzsicherheit der angesparten Arbeitszeitanteile). Auch sollte auf ein für alle Mitarbeiter einheitliches Genehmigungsverfahren geachtet werden.

Offenheit gegenüber Digitalisierung

Keine Berührungsängste scheinen die von uns befragten Berufsschüler mit dem Thema Digitalisierung zu haben. Im Gegenteil, die Möglichkeit, Arbeitsaufgaben mit digitalen Instrumenten auszuführen, kann gemäß unserer Ergebnisse zukünftig einen Wettbewerbsvorteil in der Rekrutierung bzw. Bindung von Nachwuchskräften der Immobilienbranche darstellen. So wünschen sich nach unseren Ergebnissen mehr als die Hälfte der befragten Berufsschüler einen Arbeitsplatz, bei dem sie viel mit digitalen Instrumenten und Medien arbeiten können.
Arbeitgeber sollten diesbezüglich auf ein gezieltes Personalmarketing in sozialen Netzwerken setzen, da gerade jüngere Kandidaten über derartige Kanäle eher erreichbar sind als auf analogem Wege. Bereits durch die Einführung eines digitalen Bewerbungsprozesses können sich Unternehmen einen Vorteil gegenüber der Konkurrenz verschaffen. Durch einen digitalen Bewerbungsprozesses kommunizieren sie ihre Offenheit für die Digitalisierung bereits sehr glaubhaft in einer sehr frühen Kontaktphase mit dem Bewerber.

Ortsunabhängiges Arbeiten und moderne Unternehmensstrukturen werden erwartet

Ebenso wie hinsichtlich der Arbeitszeit wünschen sich die Befragten Flexibilität hinsichtlich der Wahl ihres Arbeitsortes. 64,3% der Befragten stimmen dem Wunsch zum ortsunabhängigen Arbeiten zu, wohingegen lediglich 15,7% der Befragten kein ortsunabhängiges Arbeiten wünschen. Passend dazu werden moderne Organisationsstrukturen mit kurzen Abstimmungswegen präferiert. Während lediglich 28,6% dem Wunsch nach einem konservativen Unternehmen mit klaren Abstimmungswegen und einer hohen Anzahl an Führungsebenen zustimmen, ist die Gruppe der Befürworter von Unternehmen mit kurzen Abstimmungswegen und wenigen Führungsebenen mit 65,7% wesentlich stärker.
Nach wie vor herrscht in den überwiegenden Unternehmen noch eine starke Präsenzkultur vor. Mit der Option des ortsunabhängigen Arbeitens können sich Unternehmen derzeit also noch von anderen Arbeitgebern differenzieren. Dies fordert gegebenenfalls nicht nur eine Anpassung der Unternehmenskultur, sondern vor allem auch der technischen Infrastruktur, um überhaupt ein ortunabhängiges Arbeiten zu ermöglichen. Zudem muss geklärt werden, was ortunabhängiges Arbeiten für den einzelnen Mitarbeiter bedeutet und welchen Anteil die Arbeit außerhalb des betrieblichen Büros einnehmen könnte bzw. sollte.

Differenzierte Karrierewünsche in einer attraktiven Branche

Die Befragten bescheinigen den Immobilienunternehmen überwiegend gute bis sehr gute Karrierechancen. Hinsichtlich der erwarteten Erfüllung der beruflichen Ziele zeigt sich jedoch ein ausgeglichenes Bild. So sind sich zwar 36,4 % der Befragten sicher oder sogar sehr sicher, in ihrem jetzigen Unternehmen die erwarteten beruflichen Perspektiven vorzufinden. Demgegenüber sind jedoch 37,1% der von uns befragten Berufsschüler unsicher bzw. sehr unsicher hinsichtlich der Erfüllung ihrer beruflichen Erwartungen durch ihr derzeit ausbildendes Unternehmen.

Es zeigt sich zudem auch in unserer Untersuchung, dass das Karriere-verständnis hinsichtlich der Positionen im Unternehmen heterogener wird (siehe Abbildung 2). Bei den Wunschpositionen überwiegt die klassische Führungsposition, gefolgt von der Projektleiterposition und der Position eines Fachexperten. Unternehmen sind gut beraten, sich darauf einzustellen und ein entsprechendes Laufbahnmodell aus der Triade Führungs-, Projekt- und Expertenlaufbahn anzubieten.

Fazit

Unsere Ergebnisse zeigen zum Teil heterogene Karriereansprüche der jungen Auszubildenden. Sie belegen aber auch die steigende Bedeutung von beruflichen Auszeiten. Dies sollte dennoch nicht dazu veranlassen, die Gestaltung der Arbeitsbedingungen einseitig an die Anforderungen einer einzigen Generation von Arbeitnehmern auszurichten und die Ansprüche der Arbeitnehmer anderer Alterskohorten mit möglicherweise anderen Erwartungen sowie Anforderungen des Unternehmensumfeldes zu vernachlässigen.