Energieeffizienz in Bürogebäuden durch Smart Home Technologie - „Hast du einen Vogel?!“

Lange Zeit war Wärmedämmung in der Wohnungs- und Immobilienbranche das Mittel der Wahl, wenn es darum ging, die Energieeffizienz von Gebäuden zu erhöhen. Doch Studien haben gezeigt, dass der damit erzielte Effekt im Vergleich zu den Investitionskosten recht gering ausfällt. Stattdessen rückt das Nutzerverhalten stärker in den Fokus. Abschätzungen lassen erwarten, dass sich der Energieverbrauch in öffentlichen Gebäuden durch energiesparsames Verhalten der Nutzer um bis zu 40 Prozent senken lässt. Das Portfolio an Maßnahmen, mit denen sich CO2-Emissionen als auch die Betriebskosten signifikant senken lassen, wird breiter.

Diesem Potenzial widmet sich die EBZ Business School - University of Applied Sciences gemeinsam mit dem Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie im Rahmen des Forschungsprojekts „CO2-Einsparungen durch nutzerzentrierte Energieeffizienzlösungen in Bürogebäuden“ (EE Office). In dem auf zwei Jahre angelegten Projektvorhaben werden Assistenzfunktionen zur Energieeinsparung auf ihre Alltagstauglichkeit getestet. Unter der Leitung von Prof. Dr.-Ing. Viktor Grinewitschus, Professor für Energiefragen in der Immobilienwirtschaft, ist die Immobilienhochschule für die technische Entwicklung, Erprobung und Umsetzung von Verbesserungsmöglichkeiten der Assistenzfunktionen verantwortlich. Das Wuppertal Institut übernimmt die Gesamtprojektleitung und bringt das Knowhow hinsichtlich sozio-technischer Methoden sowie nutzerzentrierter Produkt-Dienstleistungsentwicklungen ein.

Pilot für das EE Office-Projekt ist das Land- und Amtsgericht Bonn. Im Vergleich zu den fast 5.000 Immobilien des Bau- und Liegenschaftsbetriebs NRW ist hier der Heizenergie- und Strombedarf überdurchschnittlich hoch. Ziel ist es deshalb, im Dialog mit den Bediensteten intelligente sowie praktikable Lösungen zu entwickeln, um erstens den Energieverbrauch zu senken und zweitens die Energieeffizienz zu steigern: „Wir wollen Lösungen anbieten, die sich leicht in den Berufsalltag integrieren lassen, ohne dass die Mitarbeiter an Komfort einbüßen müssen“, so Grinewitschus. Die gewonnenen Ergebnisse sollen anschließend in ein Transferkonzept münden, sodass EE Office in weiteren öffentlichen Gebäuden Anwendung finden kann. Gefördert wird das Projekt vom Ministerium für Kultur und Wissenschaft des Landes NRW (vorher Ministerium für Innovation, Wissenschaft und Forschung).

Mit 91 von insgesamt 495 Bediensteten des Land- und Amtsgerichts Bonn beteiligte sich etwa ein Fünftel der Belegschaft. In den 67 Büros werden während zwei Messphasen, jeweils über einem Zeitraum von acht bis zwölf Wochen, die Lufttemperatur, die Luftfeuchtigkeit sowie die CO2-Konzentration gemessen. Das Projekt konzentriert sich zunächst einmal darauf, den Teilnehmern ein Feedback zu ihrem Heiz- und Lüftungsverhalten zu geben. Die erste Messperiode – von Dezember 2016 bis April 2017 – ist bereits abgeschlossen. Ein Prototyp signalisierte den Nutzern über eine kreisförmige LED-Anzeige durch rotes und grünes Licht eine zu hohe Temperatur bzw. CO2-Konzentration und wies sie so darauf hin, das Fenster zu öffnen und auch wieder rechtzeitig zu schließen. Der CO2-Gehalt sollte so zwischen 750 und 1450ppm (Parts per million) gehalten werden, da zu langes Lüften schlecht für die Energieeffizienz, nicht ausreichendes Lüften schlecht für die Leistungsfähigkeit am Arbeitsplatz ist.

Die Ergebnisse dieser ersten Messung zeigen deutliche Verbesserungen in den Büros mit Assistenz im Vergleich zu solchen Büros, in denen kein Assistenzsystem eingesetzt wurde: Mit Assistenz befanden sich die Werte im empfohlenen Bereich.

Es kommt auch auf die Optik an

Für die zweite Messphase ab Dezember 2017 wurden die Messgeräte überarbeitet – sowohl technisch als auch optisch. „Wir wollten sehen, ob eine attraktivere Gestaltung des Sensors zu einer höheren Bereitschaft der Mitarbeiter zur Teilnahme führt“, erklärt Prof. Dr.-Ing. Viktor Grinewitschus. In Anlehnung an die Bergleute, die Kanarienvögel als „Warninstrument“ vor Sauerstoffmangel mit unter Tage nahmen, hat Dr. Christina Zimmer, Designerin aus Düsseldorf, einen Vogel entworfen, der am PC-Bildschirm befestigt wird. Auch hier dient eine LED-Leuchte als visueller Indikator: Weißes Licht signalisiert optimale Werte, bei Grün und Orange ist ein Durchlüften möglich. Wechselt die Farbe jedoch zu Rot, sollte das Fenster in jedem Fall geöffnet werden. Leuchtet die Kehle des Vogels hingegen blau, ist die CO2-Konzentration stark abgefallen, weshalb das Fenster wieder geschlossen werden sollte. „Die Vögel kommen richtig gut an. Es hat daraufhin viele Anfragen von Bediensteten gegeben, die bei dem Projekt noch mitmachen wollten“, sagt Grinewitschus.

Die Daten werden an eine User-Plattform übertragen, auf der jeder Mitarbeiter bzw. Forschungsteilnehmer mit einem persönlichen Login seine individuellen Kennzahlen einsehen kann. Ein Kreisdiagramm zeigt prozentual an, wie viel Zeit im empfohlenen Temperatur- bzw. CO2-Bereich verbracht wurde. Außerdem gibt es eine Übersicht über die jeweils durchschnittliche, höchste und niedrigste Raumtemperatur sowie CO2-Konzentration. Hier erhalten die Nutzer ebenfalls konkrete Handlungsempfehlungen. Sie profitieren also nicht nur im Büro von einer angenehmen und gesunden Arbeitsumgebung, sondern können die Tipps und Tricks auch mit in die eigenen vier Wände nehmen.

Die erhobenen Daten tragen ebenfalls dazu bei, das Gebäudemanagement im Hinblick auf den Heizenergieverbrauch zu optimieren. Zudem wird darüber nachgedacht, bis zum Projektende im Oktober 2018 noch den Stromverbrauch mithilfe spezieller Steckdosen zu messen.

Das Land- und Amtsgericht Bonn hat eine Fläche von 30.000 Quadratmetern. Insgesamt betreut der BLB NRW mit seinen Liegenschaften aber 10,5 Mio. Quadratmeter Verwaltungsgebäude. Für EE Office ist also enormes Potenzial vorhanden. Schließlich soll das Projekt langfristig einen signifikanten Beitrag für die Erreichung einer klimaneutralen Landesverwaltung leisten.