Strategische Quartiersentwicklung 4.0

Ob Neubauprojekt oder Sanierungsvorhaben – stetig gilt es solche Maßnahmen mit Blick auf Zielgruppen und Unternehmensstrategie zu planen. Wohnungsunternehmen müssen dergleichen Entschei­dungen auf Grundlage fundier­ter, empirischer Daten tref­fen, um Potenziale zu nutzen und Fehler zu vermeiden. Digitale Tools helfen dabei, strategische Empfehlungen und Konzepte für lebenswerte Quartiere zu erarbeiten. Bei der VBW BAUEN UND WOHNEN in Bochum ist ein solches System mit Erfolg im Einsatz.

Für Mietinteressenten sind neben Zustand, Größe und Aus­stattung von Wohnun­gen auch andere Faktoren, wie eine gute Verkehrsanbindung, Einkaufsmöglichkeiten und Kinderbetreuungsangebo­te wichtig. Damit sind sie wichti­ge Nachfragekomponenten und Entscheidungsfaktoren für oder gegen eine Wohnung. Oliver Tollkötter, Abteilungsleiter der VBW BAUEN UND WOHNEN, weiß: „Es bedarf mehr, als nur eine gute Wohnung, um Mieter zufrieden zu stimmen. Ihre Ansprüche sind tiefgreifender und umfassen zusätzliche Aspekte, wie ein sauberes und sicheres Wohnumfeld, gute Infrastruktur sowie soziale Stabilität im Wohnquartier.“ Das kommunale Wohnungsunternehmen in Bochum hat einen Bestand von rund 12.500 Wohnungen und achtet bei der Quartiersentwicklung im Zusammenhang mit Neubau- und Modernisierungsvorhaben sowohl auf die Bedürfnisse der Mieter als auch auf einen Mix aus 1/3 öffentlich geförderten, 1/3 freifinanzierten Wohnraum und 1/3 Eigentum. „Wir müssen also strategisch auf Quartiere blicken, um den Bestand für die jeweils ansprechbaren Zielgruppen zu entwickeln.“

Quartiersentwicklung – der Begriff ist in aller Munde. Aber so einfach ist das gar nicht umzusetzen: Bei der Quartiersentwicklung sind für Wohnungsunternehmen zahlreiche verschiedene Zahlen und Fakten ausschlaggebend. Die Aufgabe wird insbesondere komplex, wenn für große Bestände unterschiedliche integrierte Quartiersstrategien entwickelt und aktualisiert werden müssen. Hier gilt es, Informationen und Kennzahlen aus unterschiedlichen Quellen in Bezug zueinander zu setzen, ähnlich wie das auch für Programmgebiete der Stadterneuerung erforderlich ist. Relevante Daten sind z.B. die zu erwartende Bevölkerungsentwicklung, die Veränderung von Haushaltsstrukturen und Lebensstilen, soziale Verwerfungen und Herausforderungen, Entwicklungen am Wohnungsmarkt und auch die Qualität und Entwicklungsperspektiven von Wohnungsbeständen und Grundstücken. Diese und weitere Informationen werden zueinander in Bezug gesetzt und interpretiert, sodass Handlungsempfehlungen abgeleitet werden können.

Doch diese Vorgehensweise ist – nicht nur für die Aufnahme von Programmgebieten in die Städtebauförderung – auch in der wohnungswirtschaftlichen Praxis bislang häufig aufwändig: 

„Bislang war es üblich, dass bei Überlegungen zur Nachverdichtung zunächst eine Marktuntersuchung durchgeführt wurde. Paral­lel hat sich das Architekten­team um die Konzipierung eines Entwurfs mit einem aus ihrer Sicht interessanten Wohnungsmix gekümmert. Unabhängig davon hat das Unternehmen möglicherweise noch eine Kundenzufriedenheitsana­lyse im Quartier durchge­führt. Dann lagen zunächst einmal drei unterschiedliche Berichte nebeneinander auf dem Tisch und die Ergeb­nisse mussten mühsam zusammengefügt werden“, erklärt Oliver Tollkötter.

Webbasierte GIS-Systeme: Aktuelle Daten übersichtlich und in Relation

Moderne webbasierte GIS-Systeme erlauben es, Informationen aus unterschiedlichen Quellen kleinräumig aufzubereiten und miteinander in Bezug zu bringen. So können sowohl eigene wohnungswirtschaftliche Kennzahlen und Informationen zu Wohnungsbeständen oder (Fluktuation, Leerstand, Miethöhe usw.) als auch Daten zur Bevölkerungs- und Haushaltsentwicklung, zur Sozialstruktur und externe Marktdaten in solche Systeme integriert und mit anderen Informationen in Bezug gebracht werden. Gleiches gilt für Daten aus der empirischen Sozialforschung, wie z.B. Kundenzufriedenheitsanalysen.

Gemeinsam haben VBW BAUEN UND WOHNEN und InWIS Forschung & Beratung mit SQIS (Strategisches Quartiersinformationssystem) ein solches webbasiertes System genau auf die Anforderungen von Wohnungsunternehmen ausgerichtet. Dabei waren InWIS-Geschäftsführer Torsten Bölting drei Aspek­te besonders wichtig: „Zunächst setzen wir auf die Handlungse­bene Quartier, da Entwick­lungen wie z.B. der Struk­turwandel auf dieser Ebene für die Menschen spürbar und konkret werden. Wir geben unseren Kunden die Flexibilität, diese Quartiere selbst zu definieren. Zudem war es unser Ziel, den Unternehmen ein Instrument an die Hand zu geben, mit dem sie ein­fach eigene aber auch fremde (Markt)Daten quartiersbezogen gegenüberstellen können – auch hier wieder mit einem hohen Maß an Flexibilität, um auf die jeweiligen Anforderungen der Unternehmen eingehen zu können. Schließlich sollte das Tool digital, einfach zu bedienen und überall einsetzbar sein.“ Das Ergebnis heißt bei InWIS: SQIS – Strategisches Quartiersinformationssystem. Das System trägt Markt-, Standort-, Kunden-, und Unternehmens- sowie Bestanddaten zusammen. Auf Grundlage der Betrachtung z.B. vom Mietspiegel, Unternehmensmieten, Wohnwünschen und Kundenzufriedenheit bis hin zu Leerstandsquote und Daten über den Zustand der Objekte können strategische Beschlüsse getroffen werden.

Zukunftsfeste Wohnquartiere strategisch planen

Die Bochumer VBW BAUEN UND WOHNEN wendet SQIS für alle ihre Quartiere an – unabhängig davon, ob dort in den nächsten Jahren umfangreiche oder weniger umfangreiche Modernisierungs- oder sogar Neubaumaßnahmen anstehen. Das Unternehmen hat zunächst einen umfassenden Datensatz aus den eigenen Systemen auf der von InWIS neu erarbeiteten Quartiersebene zusammengestellt und in SQIS eingespeist.

Von InWIS wurden weitere Informationen ergänzt (z.B. durch eigene Erhebungen sowie die Verwendung sekundärstatistischer Datensätze). SQIS ermöglicht es, auch einen großer Wohnungsbestand in seiner Quartiersdimension im Blick behalten werden. Neue Daten werden stetig nachgetragen und somit auf den aktuellsten Stand gehalten. Im SQIS-System können die VBW-Mitarbeiter die Daten jederzeit in Echtzeit grafisch aufbereitet analysieren. Gleiches gilt für die externen Zahlen und Fakten: „Schön ist bei SQIS der Vergleich zu Bochum bzw. zu den Daten der Stadt Bochum, denn manchmal sagt eine einzelne Kennzahl für ein Quartier ja noch nicht so viel aus – erst recht nicht auf kleinräumiger Ebene“, erklärt Kristin Zeffler, Mitarbeiterin im Bereich Unternehmensstrategie der VBW BAUEN UND WOHNEN. „Mit Hilfe von SQIS können wir sehen, welchen Bestand wir jetzt haben und welcher Bestand in Zukunft nachgefragt sein wird, sodass wir auf Grundlage dessen entscheiden können, wie wir dieses Quartier entwickeln möchten. Und dies sowohl im Miet- als auch im Eigentumsbereich“, fasst Kristin Zeffler zusammen. Das System kommt zum Einsatz, wenn der Ankauf und/oder die Entwicklung weiterer Grundstücke im Umfeld des eigenen Bestands geprüft werden.

SQIS am konkreten Beispiel angewandt

Die VBW plant derzeit zielgruppenorientierte Modernisierungsmaßnahmen in den Beständen im Rebhuhnweg und Luchsweg mit Rückgriff auf SQIS.

Als Modernisierungspotenziale ergaben sich aus der Betrachtung unterschiedlicher Daten, wie einer Mieterbefragung, Mietspiegelanalyse usw. eine optische Aufwertung der Treppenhäuser, der Austausch der Fenster sowie eine Vergrößerung der Balkone. Diese Maßnahmen wurden bereits umgesetzt bzw. sind für weitere Bereiche des Quartiers geplant.

Diese Entwicklungsoptionen wurden auf Grundlage der Daten in SQIS von den InWIS-Experten erarbeitet. „Die Modernisierungsmaßnahmen sind an der von uns ins Auge gefassten Zielgruppe ausgerichtet und werden sukzessive umgesetzt“, so Kristin Zeffler abschließend.