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13. October 2020 - Branchentrends
Die Pandemie hat viele Facetten und Auswirkungen. So gibt es auch Folgen für den Unternehmensbereich Finanzierung und Investition. Welche Folgen das im speziellen für die Wohnungswirtschaft sind, erfahren wir von Roland Keich, der seine Einschätzung im Interview mit uns teilt.

Auswirkungen der Pandemie – Ein Blick in den Bereich Finanzierung und Investition

Die Pandemie hat viele Facetten und Auswirkungen. So gibt es auch Folgen für den Unternehmensbereich Finanzierung und Investition. Welche Folgen das im speziellen für die Wohnungswirtschaft sind, erfahren wir von Roland Keich, der seine Einschätzung im Interview mit uns teilt.

Roland Keich, GSF Gesellschaft für Strategie- und Finanzierungsberatung mbH

 

EBZ Akademie: Wie hat Corona Ihrer Einschätzung zu folge den Finanzmarkt beeinflusst? Wie wirkt sich dies auf die Wohnungswirtschaft aus?

Roland Keich: Die Corona-Pandemie verursachte in Deutschland den zweitstärksten Wirtschaftseinbruch der letzten 30 Jahre. Der DAX fiel Mitte März 2020 massiv. Die Bundesregierung reagierte mit einen Konjunkturprogramm, das erst mal seines Gleichen finden muss. Zugleich sind im Gegensatz zu 2008/2009 nicht die Finanzmärkte der Auslöser dieser Krise, sondern die Realwirtschaft durch den lock down aufgrund der Corona-Pandemie. Es gibt bereits erste Studien und Einschätzungen, wie sich dies langfristig auf die Finanzmärkte auswirken wird. Mindestens fünf Jahre werden wir brauchen, um zum alten Wachstum zurück zu kehren, so die Meinungen. Der DAX hat wiederum seine massiven Verluste fast wieder wettgemacht. Finanzmarktprognosen sind sehr schwer möglich, es besteht das Risiko eines lock down 2.0 oder einer 2. (oder sogar 3.) Pandemiewelle sowie eine sehr diffuse Situation, wann und ob wirkungsvolle Impfstoffe und Medikamente vorliegen werden.

Dies können Finanzmärkte nur schwer einpreisen, weshalb sie einiges derzeit ausblenden. Die Immobilienwirtschaft ist bislang wesentlich bei Gewerbeimmobilien betroffen und erste Kreditverschärfungen für Projektentwicklungen zeigten sich. Im Vergleich zu anderen Branchen der Realwirtschaft ist die klassische Wohnungswirtschaft relativ unbeschadet. Im Gegenteil, niedrige Zinsen werden wohl weiterhin günstige Basis für Kreditbeschaffungen bilden. Interessant wird eher die Margenentwicklung sein, die von den Risikoeinschätzungen beeinflusst werden. Die Finanzmärkte liefern noch genug Liquidität für gesunde und solide Unternehmen. Die Banken werden aber kritischer. Dieses Jahr wird somit weiterhin volatil, ohne klare Richtung. 2021 werden sich die ersten mittelfristigen Folgen zeigen. Die Finanzmärkte werden vermutlich noch einiges mit den Konjunkturprogrammen und den finanziellen Problemen von einzelnen Staaten zu tun haben. Man erinnere sich, nach der Finanzmarktkrise 2008/2009 kamen die Staatsfinanzkrisen. Immobilienunternehmen sollten ihre Finanzierungsstrategien und -instrumente eng auf Sicht steuern. Finanzmarktbeobachtung, Reporting und Finanzplanung bleiben daher ein sehr wichtiges Aufgabenfeld im Finanzmanagement und sollten zum zeitnahen, angemessenen Reagieren auf Finanzmarktentwicklungen einen hohen Stellenwert in der Weiterentwicklung der Finanzbereiche haben.

EBZ Akademie: Vor welchen Herausforderungen stehen aktuell die Mitarbeiter in Unternehmen, die sich mit dem Thema Finanzen befassen?

Roland Keich: Die Wohnungsunternehmen stehen vor der großen Herausforderung, große Immobilieninvestitions-Volumen zu finanzieren und zugleich die Liquidität in Krisenphasen der Finanz- und Wirtschaftsmärkte zu steuern. Zugleich wurde in den 2010er Jahren die Wirkung der Finanzmarktkrise von 2008/2009 schneller vergessen als gewünscht, weshalb die Investitionsfinanzierung und öffentliche Förderung durch die Bauinvestitionen in den Mittelpunkt gelangten - die Unternehmensfinanzierung verlor an Relevanz. Themen wie Beleihungsmanagement, Prolongationsmanagement u. ä. sind mittlerweile etablierter als in den 2000er Jahren. Die Verknüpfung von Aktiv- und Passivmanagement wurde damit stärker. Eine rein isolierte Betrachtung kann heute nicht mehr erfolgen. Mit der Corona-Pandemie, den volatilen Finanzmärkten und dem Klimawandel mit neuen Themen wird ein aktives, vernetztes Aktiv-Passiv-Management in der Wohnungswirtschaft einen deutlich höheren Stellenwert erlangen. Die Finanzplanung, die Finanzmarktbeobachtung, der Instrumentenmix sowie moderne Kennzahlen- und Reportinganforderungen bilden die künftigen Herausforderungen, auf welche sich die Mitarbeiter in den Finanzbereichen vorbereiten sollten. 

Das ursprüngliche Berufsbild im Finanzierungsbereich als Investitionsfinanzierungs- und Kreditsachbearbeiter mit Schwerpunkt bei Hypotheken- und Förderkredit wandelt sich zunehmend zu „Finanzierungsmanager“, welche die Unternehmensleitung entlasten und beraten sowie vernetzter mit ihren Finanzthemen arbeiten. Kapitalmarktnahe und eher große Unternehmen führen den Anpassungsprozess an, die aktuellen Herausforderungen dynamisieren diesen Trend zunehmend.

EBZ Akademie: Wie groß schätzen Sie das Potenzial von grünen Investitionen ein? Welche Auswirkungen auf die Immobilienwirtschaft hat die Entwicklung um den Green Deal?

Roland Keich: Der Marktanteil von grün orientierten Vermögensanlagen wächst sehr stark. Der Markt von Green, Social und Sustainability Bonds (GSS) ist in den letzten zehn Jahren stark angestiegen, von 7 Milliarden USD in 2009 auf 281 Milliarden USD in 2019, allein in Europa hat sich der Marktanteil von 2015 auf 2019 fast versechsfacht. Weltweit werden über 31 Billionen USD nachhaltig gesteuert, dies entspricht etwa einem Viertel des weltweit aktiv gemanagten Vermögens.

Die Europäische Union verabschiedete Ende 2019 den Green Deal, der bis 2030 EU-weit jährlich 260 Milliarden Euro an Investitionen erfordert, die es zu finanzieren gilt. Der privaten Finanzierung der nachhaltigen Investitionen wird eine maßgebliche Bedeutung zugeschrieben. Die EU übt hier wesentlichen Einfluss aus. Mit dem Action Plan on Sustainable Finance vom März 2018 wurde ein Fahrplan vorgegeben: Es wurde Ende 2019 eine EU-Taxonomie zur Definition von Nachhaltigkeit bei Anlagen und zur Offenlegung von Nachhaltigkeitsrisiken eingeführt, Verbindlichkeiten zur Anwendung ab 2022 wurden geschaffen (Taxonomie Technical Report Juni 2019). Im 3. Quartal 2020 will die EU-Kommission eine neue Strategie für ein nachhaltiges Finanzwesen vorlegen. Dies alles findet seine nationale Entsprechung in Deutschland.

Darüber hinaus wird mit der Corona-Pandemie die Nachhaltige Wirtschaft über die Konjunkturprogramme gefördert. Erste Studien zeigen, dass nachhaltige Unternehmenskonzepte krisenresilienter vor Corona-Auswirkungen sind.

Noch ist „Sustainable Finance“ in der Immobilienwirtschaft eher ein Finanzierungs-/ Anlageinstrument in einen sich entwickelnden Markt, in naher Zukunft wird über die Beurteilung von Nachhaltigkeitsrisiken die klassische Finanzierung betroffen sein. Nachhaltigkeit erreicht damit die Passivseite der Bilanz. Nachhaltigkeitsrisiken könnten bei den Banken in Ratingsystemen Einzug halten und zu Risikoaufschlägen in der Kondition führen.

Der Trend geht somit zum „Nachhaltigen Finanzierungsmanagement“ und Unternehmen werden dabei neben einer Nachhaltigkeitsberichterstattung das Thema „Nachhaltigkeitsrating“ bzw. ESG-Steuerung (Environmental Social Governance) vermehrt beachten und dazu neue oder erweiterte Instrumente und Strategien brauchen.

Informationen zum Interviewpartner

Roland Keich ist diplomierter Betriebswirt und Bankkaufmann. Er arbeitete langjährig als Führungskraft in der Wohnungswirtschaft - zeitweise auch als stellvertretender Abteilungsleiter Grundstückswesen - und bei der Förderbank in Hamburg. Roland Keich war über 10 Jahre Mitglied im Gutachterausschuss der Stadt Hamburg. Als Gründer der GSF Gesellschaft für Strategie- und Finanzierungsberatung mbH berät Herr Keich in Förder-, Finanzierungs- und Wirtschaftlichkeitsthemen, Fragen der Grünen Finanzierung und bei Investitionskonzepten.

 

Weiterführende Informationen

In folgendem Seminar steht die Auseinandersetzung mit Inhalt, Aussagefähigkeit und Außenwirkung der unterschiedlichen Kennzahlen des wohnungswirtschaftlichen Controllings im Mittelpunkt:

Kennzahlensysteme aufstellen und erfolgreich nutzen - Wohnungswirtschaftliches Controlling

Für den Unternehmensbereich Controlling ergeben sich natürlich auch Folgen. Was Controlling mit Autos und „love it or leave it“ zu tun hat, erfahren wir von Prof. Dr. Nicole Jekel im Interview.

Zukunft des Controllings - Strategisches Management in Wohnungsunternehmen in Zeiten von Corona

 

Kommentare

Benita Becker

09. March 2021

Interessanter Artikel

Vielen Dank für diesen interessanten und informativen Artikel!

 

LG, Benita Becker

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Über den Autor

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Bianca Skottki

Bildungsreferentin EBZ Akademie

„Lernen bedeutet Veränderung. Es erfolgt im Tun und zusammen mit anderen Menschen. Sie beim Lernen zu unterstützen ist mein Ziel.“