"Letztendlich ist der sinnstiftende Kontakt mit den Schülern der für mich wichtigste Grund, am EBZ zu arbeiten"

Ende Januaar 2023 trat Dr. Christoph Winkler die Nachfolge von Annegret Buch in der Schulleitung des EBZ Berufskollegs an. Im Interview berichtet er, wie die ersten Monate als Schulleiter waren – und warum er überhaupt Lehrer wurde.

Redaktion: Herr Dr. Winkler, seit Februar dieses Jahres sind Sie Schulleiter. Was ist der Unterschied zu Ihrer Arbeit vorher?

Dr. Christoph Winkler: Als Lehrer ist es viel klarer, was man zu tun hat. Man arbeitet in einem Gruppensetting. Hauptsächlich geht es um die Vermittlung von Inhalten, und man ist da, wenn Schülerinnen und Schüler Probleme haben.Jetzt besteht meine Arbeit hauptsächlich aus Kommunikation mit Einzelpersonen und mit dem Kollegium. Außerdem hat sich der Kreis der Gesprächspartner innerhalb und außerhalb des EBZ erweitert. Ich spreche nun mit dem Vorstand, der Personalabteilung, aber eben auch mit Ausbildungsunternehmen. Die Arbeit ist extrem vielfältig geworden, was ich sehr an meinem Beruf schätze. Kein Tag ist wie der andere.

Redaktion: Bereuen Sie den Schritt vom Lehrer zum Schulleiter?

Dr. Winkler: Nein. Ich würde ihn immer wieder machen. Es macht viel Spaß, dank dieser Rolle eine neue Gestaltungskraft zu haben, zumal ich mit Ines Leistenschneider als Stellvertreterin, dem Schulleitungsteam sowie dem gesamten Kollegium – nach meiner Einschätzung – in einem guten und konstruktiven Kontakt und Dialog zur Entwicklung der Schule bin.

Redaktion: Wie erleben Sie nun die Unternehmen der Wohnungs- und Immobilienbranche?

Dr. Winkler: Wir als EBZ Berufskolleg und ich als Schulleiter erlebe viel Zugewandtheit in der Branche. Um nur ein Beispiel zu nennen: Der Förderverein besteht hauptsächlich aus Menschen, die hier die Ausbildung durchlaufen und hier studiert haben. Die finden gut, wie hier ausgebildet wird, die stehen zum EBZ und sind sehr hilfsbereit. Wenn wir einen Praktikumsplatz benötigen oder eine Exkursion zu einer spannenden Location durchführen wollen, ist das kein Problem. Das finde ich ganz großartig.

Redaktion: Machen sich die gegenwärtigen Krisen bemerkbar?

Dr. Winkler: Wo es direkt bemerkbar wird, ist in Klassen, wo viele Gewerbemaklerinnen und Gewerbemakler tätig sind, auch Projektentwickler und -entwicklerinnen. Da haben wir weniger Auszubildende. Wie sich die Branche verändert, hat auch Auswirkungen darauf, wie viele zu uns kommen.

Redaktion: War das ein versteckter Hinweis auf ein Berufskolleg in der Krise?

Dr. Winkler: (lacht.) Nein, nein, im Gegenteil. Wir haben die höchsten Schülerzahlen aller Zeiten – was mich sehr stolz und froh macht –, obwohl wir hohe Bauzinsen, Klimawende, Energiekrise usw. haben.

Redaktion: Wo sehen Sie die Gründe hierfür?

Dr. Winkler: Die Herausforderungen sind enorm, und das wissen die Unternehmen. Ihnen ist klar, dass sie jetzt ausbilden müssen, um für die Zukunft gerüstet zu sein. Und die Auszubildenden, die hier sind, haben den Weg in die Wohnungs- und Immobilienwirtschaft bewusst gewählt. Sie sagen sich, ich kann Wohnviertel gestalten, ich kann etwas Proaktives für den Klimapfad tun – sie wollen eine sinnvolle Tätigkeit. Gleichzeitig bietet die Branche traditionell berufliche Sicherheit. Ich glaube, dieses Duett aus Sinnstiftung plus Sicherheit ist für viele Auszubildende in der aktuellen Situation attraktiv.

Redaktion: Wann ist Ihnen persönlich eigentlich aufgegangen, dass der Lehrerberuf für Sie sinnvoll ist?

Dr. Winkler: Lehrer werden war zunächst nicht meine berufliche Perspektive. Ich habe BWL studiert, und mein Plan war, in den Bereich Personalabteilung/Personalentwicklung zu gehen. Themen wie Motivation, Kommunikation, Umgang mit Menschen, das war schon immer meine Zielrichtung. Mir ist dann baldklargeworden, dass ich das Schulthema viel interessanter als BWL fand. Das war im Jahr 2000, als die erste Pisa-Studie herauskam und ich mit dem Thema Bildungsgerechtigkeit in Berührung kam. Das hat mich sehr interessiert. Da war klar: Mir muss es jetzt über Umwege gelingen, in den Schulbereich zu kommen.

Redaktion: Haben Sie dann das Studium abgebrochen?

Dr. Winkler: Nein. Ich studierte noch in Mannheim, hatte dann aber das Glück, eine Doktormutter an der Uni Trier zu finden, die als BWL-Thema „Anreizsysteme für Lehrkräfte“ an einem Bildungswissenschaftlichen Lehrstuhl akzeptiert hat. Später wechselte ich an die FU Berlin und schloss das Thema dort mit der Doktorarbeit ab. So bin in diesen erziehungswissenschaftlichen Bereich reingekommen.

Redaktion: Aber dann ist man immer noch nicht Lehrer.

Dr. Winkler: Stimmt. Ich habe in Berlin den Seiteneinstieg als Lehrer gesucht, eben weil ich vorher an der Uni Schulentwicklungsforschung betrieben habe und dann gern den Praxisbezug haben wollte. Ich wollte nicht nur über Schule schreiben, sondern auch konkret Lehrer sein, bevor ich Lehrern glaubwürdig Empfehlungen geben kann, wie sie die Schule besser machen. (lacht) Ich habe in Berlin bei der „Deutsche Kinder- und Jugendstiftung“ gearbeitet. Sie wirkte Anfang der 2000er im Rahmen eines BMBF-Programms am Aufbau von Gesamtschulen mit. Ich weiß noch genau, als ich dann zu der zuständigen Frau vom Senat ging, um meine Bewerbungsunterlagen abzugeben. Und sie nahm meine Bewerbungsunterlagen und legte sie unter einen Stapel von gefühlt 150 Mappen. Sie schob meine Mappe ganz bewusst ganz nach unten und sagte zu mir: „Und schauen Sie mal, das ist der Ort für Ihre Mappe. Und vorher werde ich die 149 anderen Mappen abarbeiten, die auf dem Stapel sind.“

Redaktion: (lacht) Die Frau wusste, wie man motiviert.

Dr. Winkler: (lacht) Mir war da zumindest klar, dass ich mein Glück woanders versuchen musste. Meine Frau ist dann aus beruflichen Gründen ins Ruhrgebiet gezogen, und ich hinterher.

Redaktion: Gefällt Ihnen das Ruhrgebiet, oder vermissen Sie Berlin?

Dr. Winkler: Ich mag an Berlin die Vielfalt des Lebens. Da findet man alle Spielarten von Haarfarben und Piercings und Tattoos, die es auf der Welt gibt, versammelt in der S-Bahn. Das ist im Ruhrgebiet nicht so, aber was hier ganz toll ist, ist diese persönliche, völlig unprätentiöse Art und die große Hilfsbereitschaft. Das habe ich in keiner anderen Region, in der ich bisher gelebt habe, so erlebt.

Redaktion: Das freut den Ruhrgebietler! Wie ging es weiter mit dem Lehrerwerden?

Dr. Christoph Winkler: Über den Berufsbegleitenden Vorbereitungsdienst OBAS kann man nach zwei Jahren einen Seiteneinstieg ins Lehramt machen. Über diesen Weg habe ich Initiativbewerbungen rausgeschickt und hatte das Glück, kurzfristig am EBZ anfangen zu können. Ende August 2011 ging es für mich hier mit den Fächern Wirtschaftswissenschaft und Politik los.

Redaktion: Wollten Sie nach den zwei Jahren nicht wieder in den Beratungsbereich wechseln?

Dr. Winkler: Ja. Aber ich habe gemerkt, wieviel Spaß mir die Arbeit mit den jungen Menschen hier macht. Die stehen an diesem Punkt: Entscheide ich mich für einen Beruf oder für ein Studium? Ist das der richtige Platz in der Welt für mich, komme ich mit meinen Fähigkeiten zur Geltung, oder entscheide ich mich falsch? Ich finde es als Lehrer ganz toll, diese Lebensphase begleiten zu dürfen. Und dann haben wir hier zu 97 oder 98 Prozent Schüler und Schülerinnen, die – wenn du wertschätzend mit ihnen umgehst –, dir total viel zurückgeben und erstaunlich kreativ sind. Es ist einfach ein Geschenk, hier arbeiten zu dürfen. Letztendlich ist der sinnstiftende Kontakt mit den Schülern der für mich wichtigste Grund, am EBZ zu arbeiten.

Redaktion: Nachdem Sie sich fürs EBZ entschieden hatten, wie ging es weiter?

Dr. Winkler: 2016 war die dreijährige Probezeit um. Dann hatte ich zunächst das Glück, mich auf eine Beförderungsstelle zur Koordination der Unterrichtsentwicklung bewerben zu können. Kurz vor der Corona-Pandemie – im Januar 2020 – wurde ich in die erweiterte Schulleitung aufgenommen. Dann kam die Corona-Pandemie; eine zwei Jahre währende, vor allem im Schulleitungsteam sehr intensive Zeit, die ich in dieser Arbeit aber als sehr produktive Zeit und starken Zusammenhalt erlebt habe.

Redaktion: Welche Ziele verfolgen Sie in Ihrer Arbeit als Schulleiter?

Dr. Winkler: Einer meiner Hauptpunkte ist es, eng mit der Branche in Kontakt zu sein, um die Verzahnung von Beruf und Praxis zu verstärken. Dazu gehört ein ganz enger fachlicher Austausch mit den Unternehmen. Dazu gehört auch, dass wir unser Netzwerk stärken, um Berufsbiographien von EBZ-sozialisierten Menschen, die Erfolg in der Branche haben, konkret zu zeigen und zur Nachahmung schmackhaft zu machen. Dass wir zeigen, was man mit einem EBZ-Rüstwerk erreichen kann. Und über allem steht für mich der Ausbau der wertschätzenden Arbeits- und Lernkultur, die man hier bereits vorfindet, das ist mir das allerwichtigste. Dass die Leute hier rausgehen und sagen, das war eine fantastische Schulzeit. Ich habe hier fürs Leben gelernt, ich habe tolle Beziehungen aufgebaut, dauerhafte Netzwerke und richtig gute Menschen kennengelernt. Und: Mit mir ist wertschätzend umgegangen worden und ich habe Lust bekommen, „für das Leben“ zu lernen und diese Branche mitzugestalten. Wenn das die Schülerinnen und Schüler nach ihrer Zeit am EBZ Berufskolleg sagen, wäre ich sehr glücklich.