
Fit für eine unbekannte Zukunft - Von der Kunst ein anpassungsfähiges Unternehmen zu werden
Doch wie müssen sich Wohnungsunternehmen verändern, um in dieser neuen Welt bestehen und ihren gesellschaftlichen Auftrag erfüllen zu können? Wenn sich die Rahmenbedingungen nur bedingt beeinflussen lassen, kann die Lösung einzig darin liegen, dass Unternehmen personell und organisatorisch eine Fähigkeit zur Anpassung entwickeln. Wir kennen dieses Phänomen aus der Evolution. Pinguine können unter extremen klimatischen Bedingungen in der Antarktis überleben, weil sie gelernt haben, sich an die Umwelt anzupassen.
Gemeinsam mit Prof. Dr. Armutat von der FH Bielefeld haben wir in der EBZ Akademie ein Gerüst mit Entwicklungsansätzen für eine zukunftsfähige Organisation entwickelt, die genau diese Anpassungsleistung Schritt für Schritt ermöglicht und damit Wohnungsunternehmen fit für die anstehende Transformation macht.
Das Modell der Zukunftsfähigen Organisation setzt auf die bestehenden Organisationstrukturen im jeweiligen Unternehmen auf und ist fokussiert auf insgesamt vier Fitnessfaktoren für eine gelingende Transformation.

Fitnessfaktor 1: Das Orientierungssystem
Zunächst benötigt ein Unternehmen ein Orientierungssystem, das dem Management hilft, frühzeitig wichtige Einflüsse zu erkennen und für das Unternehmen realistische Entwicklungsrichtungen auszumachen.
Stärken- und Zukunftsorientierung
Ausgangsbasis für jede Transformation sollte das Wissen um die eigenen Stärken und Kernkompetenzen sein, die das Unternehmen in der Vergangenheit erfolgreich gemacht haben. Rückblickend auf die jeweilige Historie gibt es in jedem Wohnungsunternehmen vieles, auf das man stolz ist und was Mut für die Zukunft macht. Diesem Vergangenheitsfokus mit Stärkenorientierung steht ein Zukunftsfokus mit einer Explorationsorientierung gegenüber. Exploration meint, Neues zu wagen, Innovationen auszuprobieren, aus Fehlern zu lernen und Erfolge systematisch weiterzuverfolgen.
Stakeholder und Umfeldorientierung
Während es sich bei der Stärken- und Zukunftsorientierung im Wesentlichen um eine Binnenbetrachtung handelt, geht es bei der Stakeholder- und Umfeldorientierung darum, sich permanent mit den äußeren Einflüssen zu beschäftigen. Beispiele für die Stakeholder-Orientierung können Mieterbefragungen, regelmäßige Workshops mit den Aufsichtsgremien oder eine strukturierte Zusammenarbeit mit externen Dienstleistern und Beratern sein. Im Kern geht es darum, frühzeitig und systematisch die Bedürfnisse der Stakeholder und zukünftigen Umfeldveränderungen zu antizipieren und diese in einem ständigen Rückkopplungsprozess mit eigenen Strategieüberlegungen zu reflektieren.
Fitnessfaktor 2: Das strategische Zielsystem
Weiterhin braucht es einen klaren Kompass, eine strategische Identität, die dem unternehmerischen Handeln eine Richtung gibt und die die großen Entwicklungslinien beschreibt – über die Hektik des Alltags hinaus.
So wichtig Kosteneinsparungen zur Liquiditätssicherung im Moment auch sind, sie ersetzen auf Dauer keine experimentelle und zukunftsorientierte Weiterentwicklung des bestehenden Geschäftsmodells von Bestandshaltern. Impulse liefert auch hier die intensive Beschäftigung mit dem Umfeld und den wichtigsten Stakeholdern.
Wenn die Stoßrichtung klar ist, muss in der Organisation die notwendige Zugkraft entwickelt werden. Hierfür braucht es auf strategischer und operativer Ebene ein klares und transparentes Zielsystem, an dem sich Führungskräfte und Mitarbeiter in ihrer täglichen Arbeit ausrichten können. Die Ziele sollten ambitioniert sein: Sie sollten herausfordernd, aber machbar sein. Moderne Managementtechniken wie die OKR-Methode (Objectives and Key Results) brechen die Gesamtziele in kurze, überschaubare vierteljährliche Teilziele auf und ermöglichen eine aktive Einbindung der Mitarbeitenden in die Zielformulierung.
Fitnessfaktor 3: Das agile Organisationsmodell
Auf der operativen Ebene braucht es nachfolgend Strukturen und Prozesse, die agil neue Themen aus dem Umfeld- und Stakeholderkontext aufnehmen und mit der notwendigen Kraft und Geschwindigkeit umsetzen.
Duale Organisationsstrukturen
Wohnungsunternehmen sind traditionell in Fachbereiche und Abteilungen wie z. B. Bewirtschaftung, Technik, Neubau- und Rechnungswesen gegliedert. Dieser Aufbau ist historisch gewachsen und macht viel Sinn – stößt aber zunehmend an Grenzen. Daher sollte die klassische Silostruktur um eine zweite Organisationsstruktur (duale Organisation) ergänzt werden, bestehend aus Prozess-, Projekt- und Netzwerkelementen.
Prozessstrukturen haben durch die Digitalisierung enorm an Bedeutung gewonnen. Viele der neuen Themen – Digitalisierung, Klimastrategie, Mieterstrom u. a. – kommen heute als Projekte in die Unternehmen. Jedes Innovationsthema ist damit auch ein Projektthema. Sowohl Prozesse als auch Projekte sind häufig bereichsübergreifend und müssen in der bestehenden Organisation mit Silostruktur neu gelernt werden (Aufbau von Projekt- und Prozessmanagementstrukturen, Entwicklung entsprechender Kompetenzen bei den Teammitgliedern).
In Zeiten, wo sich vieles dekonstruiert und neu gebaut werden muss, braucht es eine gute Netzwerkarbeit der Mitarbeitenden und Führungskräfte – sowohl nach außen als auch nach innen. Diese Netzwerkarbeit sollte nicht dem Zufall überlassen werden, sondern möglichst institutionalisiert werden. Beispiele sind hier die regelmäßige Teilnahme an Arbeitskreisen und Arbeitsgemeinschaften für organisationsübergreifende Netzwerke oder an Open Space Formaten und Communities of Practise für die interne bereichsübergreifende Vernetzung.

Partizipative Führung (New Leadership)
Der Führungsansatz in der Zukunftsfähigen Organisation verbindet agile, partizipativ beteiligende Elemente mit klaren Zielen. Dafür braucht es reflektierte Führungskräfte, die eine humanistische, systemische Grundhaltung mitbringen, die eigenen Skills stetig weiterentwickeln und eine Fokussierung auf Ergebnisse und Stakeholder in Handlung übersetzen. Gleichzeitig müssen die Führungskräfte stärker als früher die Relevanz von Umfeldveränderungen für das eigene Unternehmen antizipieren und entsprechend ihren Verantwortungsbereich darauf ausrichten. Dabei gilt es in erster Linie die Selbstverantwortung und die Entwicklung der Mitarbeiter zu stärken.
Top-Talentmanagement
Für die interne Umsetzung der als wichtig identifizierten Themen braucht jede Organisation eine signifikante Anzahl von starken Leistungsträgern auf Schlüsselpositionen, die diese Themen selbstständig und in hoher Qualität vorantreiben (sog. fully formed adults). Voraussetzung dafür ist eine kompromisslose Top-Talent-Strategie im Personalmanagement, die die Auswahl, Entwicklung, Steuerung und die Arbeitsplatzgestaltung dieser Mitarbeitenden prägen muss.
Lern- und Innovationsmanagement
Personalentwicklung muss einen klaren Businessbezug haben, auf die Unternehmensziele/ -strategie einzahlen sowie innovationsfördernd sein. Dies gilt für alle PE-Instrumente – von der Bewerberauswahl, über die Weiterbildung, bis hin zur Karriereplanung. Im Mittelpunkt der Personalentwicklung sollten sog. Future Skills stehen, also Kompetenzen, die die Mitarbeitenden zukünftig in der VUCA-Welt benötigen.
In von Disruption und Dynamik geprägten Zeiten braucht es Lernsysteme, die in der Lage sind, schnell neues Wissen für die Organisation zu generieren und an die Arbeitsplätze zu verteilen. Gute und praktikable Ansätze hierfür liefern die Ansätze der Lernenden Organisation oder Konzepte aus dem Wissensmanagement. Beispielhaft seien hier Open Space Formate, Community Learning, Learning on demand oder das Lernen durch Lehren genannt. Technologische Unterstützung bieten Wikis, Lernmanagement-Systeme und Lernvideo-Plattformen wie z.B. EBZ4U oder Kommunikations- und Kollaborationstools wie z.B. Microsoft 365.
Fitnessfaktor 4: Die Ergebniskultur
Die Ergebniskultur schafft die Wertebasis für die zukunftsfähige Organisation. Die Ergebniskultur kombiniert das Wir-Gefühl des Unternehmens mit der Ausrichtung des Unternehmenshandelns an Ergebnissen.
Fazit und weiterführende Informationen
Mit dem Framework der Zukunftsfähigen Organisation zeigen wir die Struktur auf, die Unternehmen die innere Stärke gibt, um sich schnell an neue und heute noch unbekannte Herausforderungen anzupassen. Die konkrete Umsetzung allerdings muss jedes Unternehmen für sich entwickeln, denn Konzepte von außen lassen sich niemals eins zu eins kopieren. Dafür sind jedes Unternehmen und jede Unternehmenskultur zu individuell. Organisationsentwicklungen brauchen Zeit und Kraft. Deshalb lohnt es sich, sich frühzeitig auf den Weg zu machen.
Nähere Informationen
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Rüdiger Grebe, Leiter EBZ-Akademie
Experte für Organisationsentwicklung und learning&development