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06. November 2020 - Branchentrends
In unseren Bildungsalltag ist das Online-Lernen inzwischen eingezogen, daher schauen wir heute, wie es denn in der Realität funktioniert. Wir werfen einen ehrlichen Blick auf die Tücken und Freuden beim Online-Lernen aus verschiedenen Perspektiven: Dozenten und Teilnehmende im Online-Bilanzbuchhalterlehrgang.

Online-Lernen: Vermisst wird nur eins – sonst überwiegen die Vorteile

In unseren Bildungsalltag ist das Online-Lernen inzwischen eingezogen, daher schauen wir heute, wie es denn in der Realität funktioniert. Wir werfen einen ehrlichen Blick auf die Tücken und Freuden beim Online-Lernen aus verschiedenen Perspektiven: Dozenten und Teilnehmende im Online-Bilanzbuchhalterlehrgang berichten.

„Ich kann jetzt nicht!“ Virginia Pokorsky, Bildungsreferentin der EBZ Akademie, ahmt den gequälten Schrei des Mannes nach und muss lachen. „Er hat vergessen, den Ton zu muten. Anfangs ein typischer Fehler. Doch das war unfreiwillig echt komisch. Als der Wortwechsel mit seiner Frau folgte, dazu der bellende, herumhüpfende Hund, alles live und in Farbe auf unseren Bildschirmen! Da konnten wir uns nicht mehr halten!“ Die geschilderte Szene stammt aus dem Zertifikatslehrgang „Geprüfter Bilanzbuchhalter in der Immobilienwirtschaft“ der EBZ Akademie. Eigentlich ein Präsenzangebot, wurde es ohne große Vorlaufzeit aufgrund der Corona-Pandemie im April in ein Online-Angebot transferiert. Heute, ein halbes Jahr nach dem ersten Lockdown: Wie erlebten Bildungsteilnehmende und Dozenten eigentlich die neue Lernsituation im digitalen Klassenzimmer? Ist das Modell „Online Lernen“ zukunftsfähig, oder nur Notlösung?

Teilnehmer machen Ihre ersten Erfahrungen beim Lernen in digitalen Plattformen

Als Martina Konzelmann erfuhr, dass der Kurs online durchgeführt werden sollte, war sie skeptisch. „Bei der Baubuchhaltung beispielsweise wird viel an der Tafel gerechnet, da fragte ich mich schon, wie das nun ablaufen sollte“, erinnert sich die 46-Jährige, die für die Baugenossenschaft Friedenau in Stuttgart arbeitet. Aber sie nahm das Angebot gern an, erfordert waren nur Laptop oder PC mit integriertem Mikro bzw. ein Headset. Aus einer aktuellen Studie der EBZ Akademie geht hervor, dass 81 % der befragten Akademie-Bildungsteilnehmenden Online-Veranstaltungen bisher nur am EBZ besucht haben. Und so war es auch bei den angehenden Bilanzbuchhaltern: Martina Konzelmann und die anderen Kursteilnehmenden betraten absolutes Neuland – genauso wie das Dozententeam.

Technik auf dem Prüfstand

„Schon bald merkten wir, dass unsere Kollaborationssoftware nicht geeignet war, weshalb wir auf Educate Online umstellten“, sagt Virginia Pokorsky. „Nach der Einarbeitung machten wir uns an die Didaktik. Denn man steht ja nicht mehr vor einer Klasse, sondern unterrichtet in den Äther hinein, was ganz andere Bedingungen schafft. Wir haben die Kurszeit von neun auf sechs Stunden begrenzt, weil das Online-Arbeiten und -Lernen schon anstrengend ist. Wir mussten klären und erklären, wie man technische Probleme löst, mit dem Ton, mit der Leitung, und einen Support organisieren.“ Nicht alles bewährte sich: So wurden die gymnastischen Auflockerungsübungen von den Teilnehmenden nicht gewünscht und flogen aus dem Programm.

Das größte Problem aller Teilnehmenden und Dozenten war die fehlende Face-to-Face-Situation im virtuellen Klassenzimmer. Dennoch kam der Online-Kurs gut an. Falk Schneider, der für die Wohnungsgenossenschaft Lipsia eG in Leipzig tätig ist: „Es war sehr positiv, dass die Dozenten das so gut hinbekommen haben. Die haben nicht irgendwas heruntergebet. Die hatten gute Materialien, waren sehr gut vorbereitet und simulierten über eine Kamera ein Whiteboard. Zwar fehlte der direkte Kontakt zum Dozenten, aber man konnte übers Headset mitsprechen und aktiv am Kurs teilnehmen.“ Anerkennende Worte gab es auch von Martina Konzelmann: „Prof. Wenzel hat die fehlende Tafel über eine schöne Kameralösung bewältigt. Man konnte gut mitschreiben und Screenshots machen.“

Diese Kameralösung war reine Improvisation. „Erfinder“ Prof. Dr. Dirk Wenzel ist im Hauptberuf Dozent an der Universität zu Leipzig. Ihm war klar, dass Kursinhalte wie betriebliches Rechnungswesen Erklärungen und modellhaften Berechnungen verlangen, die eigentlich ein Fall für Wandtafel oder Whiteboard sind. Dr. Wenzel: „Ich habe mir eine Dokumentenkamera gekauft. Als wir die richtig justiert hatten, funktionierte das hervorragend. Ich konnte Arbeitsblätter darunterlegen und beschreiben, der Kurs konnte zusehen. Das ging wie bei einem Flipchart.“

Dozenten stellen sich auf neue Herausforderungen ein

Prof. Dr. Dirk Wenzel ist seit 1976 als Hochschullehrer tätig, doch auch ihn stellte die Online-Lehre vor neue Herausforderungen. „Wer als Dozent in die digitale Lehre einsteigt, muss vorab einen beträchtlichen Aufwand betreiben, da er seine Präsentationen stark umarbeiten muss“, so Dr. Wenzel. Da der Dialog nicht unmittelbar abläuft, man Gesichter und Mimik nicht sehen kann usw., „muss man mit viel Kreativität den Stoff an die Leute bringen und sie so aus der Online-Anonymität locken.“ Er nennt als Beispiel das betriebliche Rechnungswesen. Diese sehr abstrakte Materie gestaltete er lebendig, indem er sich Szenarien ausdachte. „Ich fragte dann: ‚Stellt euch vor, das sind die Handlungskosten, soundsoviele Jahre haben wir abgeschrieben, dann haben wir modernisiert, die Buchwerte haben sich erhöht: Was für eine Vorstellung habt ihr denn, wie sich die Abschreibung weiter gestalten darf?‘ Das ist dann wie eine Provokation, es gibt Antworten, es gibt eine Diskussion. Auch wenn die Teilnehmenden vor einem Mikro sitzen.“

Teilnehmende wägen Vor- und Nachteile ab

Wie beurteilen die Bildungsteilnehmenden das Online-Angebot? Alle äußerten, dass sie Präsenzveranstaltungen vermissen. Ralf Schipke aus Wilster in Schleswig-Holstein zum Beispiel sagt: „Präsenzunterricht ermöglicht direktes Nachfragen. Das fehlte, aber das war für mich eigentlich der einzige Nachteil am Online-Unterricht. Die Sitzungen wurden aufgezeichnet, was den gravierenden Vorteil hat, dass man alles noch einmal aufrufen und sich anhören konnte, falls man etwas nicht richtig mitbekommen hatte.“ Auch weitere Vorteile wurden sehr geschätzt. Martina Konzelmann aus Stuttgart etwa ließ sich auf gern auf das Online-Angebot ein. „Ich bin ohnehin technikaffin, und die Kursteilnahme hat wunderbar geklappt. Es war schon komfortabel, dass man zu Hause sitzen konnte.“ Falk Schneider fand das auch – solange die Kinder aus dem Haus sind. „Sonst wird man im Homeoffice schnell abgelenkt. Aber es ist schon sehr, sehr bequem!“ Ralf Schipke: „Der Online-Unterricht war sehr entspannt, die Dozenten waren sehr gut vorbereitet. Allerdings muss man sich zu Hause auch stärker organisieren – man hat auch mehr Hausarbeit! Meine Frau macht viel im Haus und erwartet nun, dass ich mich beteilige.“

Der größte Vorteil am digitalen Unterricht, da waren sich alle einig, liegt darin, dass er Reisen und ferne Aufenthalte überflüssig macht. Normalerweise hätten die Kursteilnehmer und Dozent Prof. Wenzel viele Hundert Kilometer auf Reisen nach Bochum zurücklegen müssen: Prof. Wenzel wohnt in der Nähe von Leipzig, Martina Konzelmann kommt aus Stuttgart, Ralf Schipke aus Wilster in Schleswig-Holstein und Falk Schneider aus Leipzig. Ralf Schipke: „Ich fahre mit der Bahn, 500 Kilometer hin und 500 Kilometer zurück – das sind mit Wartezeiten 10 bis 15 Stunden!“ Martina Konzelmann: „Ich spare rund 800 Reisekilometer und die gesamte Organisation der Bahnfahrt, weil es immer schwierig war, für mich passende Verbindungen zu buchen.“

Fazit insgesamt positiv

Die geschilderten Einzelmeinungen bestätigen sich, wenn man den Rahmen größer aufzieht. Aus der Umfrage der EBZ Akademie zum Online-Lernen geht hervor, dass die zeitliche Flexibilität des Online-Lernens, die technische Möglichkeit der Aufzeichnung von Kursen und die Bereitstellung von digitalen Lernvideos von einem großen Anteil der Befragten positiv wahrgenommen wird. Und während Online-Tagungen und Online-Führungsforen weniger als 10 % der Befragten belegen würden, war der Zuspruch für Lehrgänge (fast 70 %), Seminare (80 %) und kurze digitale Lehrgänge (78 %) ausgesprochen hoch.

Ein positives Fazit zog auch Prof. Dr. Dirk Wenzel: „Niemand hätte gedacht, dass sich ein Kurs im Rechnungswesen für ein Online-Angebot eignet. Aber das stimmt nicht – das funktioniert ausgesprochen gut!“ Er sieht allerdings ein Problem: „Ich muss noch meine Schrift verbessern, damit mich die Teilnehmenden am Ende verstehen. Das ist alles – und das kriege ich auch noch hin.“

 

Weiterführende Informationen

Auch in diesem Blogpost haben wir einen Blick in die Zukunft gewagt und auf die Veränderung von Arbeitswelten geschaut: 5 Thesen: Wie wird sich die Arbeit in Wohnungsunternehmen verändern?

Die digitalen Grundkompetenzen für den Berufsalltag sind Grundlage folgender Bildungsveranstaltung: Digitale Grundkompetenz - Fit für die digitale Arbeitswelt

Der nächste Zertifikatslehrgang zum Bilanzbuchhalter starten im April 2021: Geprüfte/r Bilanzbuchhalter/in in der Immobilienwirtschaft (EBZ)

Weitere Informationen zum Thema Online-Lernen finden Sie auch hier: https://www.ebz-akademie.de/online-lernen/

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Über den Autor

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Rüdiger Grebe

Bereichsleiter, EBZ Akademie

Wie können Veränderungsprozesse nachhaltig gestaltet werden? Was sind attraktive Beschäftigungsformen? Mit welchen Angeboten können Sie Talente an Ihr Unternehmen binden? Welche Lösungen bietet moderne Personalentwicklung zur Bewältigung der digitalen Transformation? Die besondere Herausforderung liegt für mich in der gemeinsamen Ausgestaltung und Problemlösung dieser Handlungsfelder. Ich freue mich auf Ihre Anfragen.