
Die Zukunft des Wohnens: Wie wir morgen wohnen wollen!
Mit den Wohntrends 2035 werfen das Beratungsunternehmen Analyse & Konzepte und das Forschungsinstitut InWIS zum dritten Mal für den Bundesverband deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen e.V. (GdW) einen Blick in die Zukunft des Wohnens. Wie verändert sich die Nachfrage? Welche Wohnungen sind gefragt und welche Ausstattung wird zum „Must-have“ werden? Wodurch zeichnen sich attraktive Quartiere aus?
Diese und eine Vielzahl weiterer Fragen wurden in der repräsentativ angelegten Studie behandelt, in deren Rahmen 3.000 Eigentümer- und Mieterhaushalte in Deutschland befragt wurden. Wichtige Themenfelder sind Digitalisierung und neue Wohnformen.

Bettina Harms
Geschäftsführerin der Analyse & Konzepte Beratungsgesellschaft für Wohnen, Immobilien, Stadtentwicklung mbH

Michael Neitzel
Geschäftsführer Forschungsinstitut InWIS
Wohnen in Deutschland – Daumen hoch!
Oft ist Unzufriedenheit der Anstoß für Veränderung und Treiber des Wandels. Aber im Wohnungsmarkt ist das Gegenteil der Fall: Deutschlandweit sind über 80 Prozent der Mieterhaushalte zufrieden mit ihrer Wohnsituation. Würden sie ihre Wohnung und ihre Wohnsituation „liken“, sie gäben den „Daumen hoch“. Für 13 Prozent halten sich Positives und Kritikpunkte die Waage, nur 5 Prozent sind unzufrieden. Mieter bemängeln häufig, dass ihre Wohnung zu groß oder zu klein ist, das Wohnumfeld oder die Nachbarschaft Anlass für Kritik geben, aber bspw. nur fünf Prozent waren wegen der Wohn- und Nebenkosten unzufrieden.
Über die Höhe der Miete und der Wohnkostenbelastung wird derzeit in Deutschland sehr intensiv diskutiert. Die Politik droht, in Aktionismus zu verfallen. Mietenstopp und sogar Enteignung von Mietwohnungsbeständen werden diskutiert. Die nüchternen Ergebnisse der Studie sprechen eine andere Sprache: Die Hälfte der Mieter in Deutschland empfindet ihre Wohnkosten als angemessen, ein Drittel sogar als niedrig. „Nur“ 15 Prozent der Mieterhaushalte sehen ihre Wohnkosten als hoch und 4 Prozent sogar als sehr hoch an. In den städtischen Ballungsräumen sind es nicht wesentlich mehr. Oft sind es Mieter in bestimmten Lebenslagen, bspw. ältere Single-Haushalte mit niedrigem Einkommen, die von sehr hohen Mieten betroffen sind und die sich ihre Wohnung nicht mehr leisten können.
Damit soll diese, für viele existenzielle Problematik nicht klein geredet werden, sondern der Blick geschärft werden, dass nur zielgenaue Instrumente den Betroffenen helfen können. Gerade die Bevölkerungsgruppen, die besonders von Armut betroffen sind, leben vornehmlich zur Miete: Mit 29 Prozent (2015) weisen Mieter eine deutlich erhöhte Armutsrisikoquote auf. Zur Zukunft des Wohnens gehört es auch, die Bezahlbarkeit von Wohnraum dauerhaft sicherzustellen.
Das im Grunde sehr gute Zeugnis, das die Mieter ihrer Wohnsituation ausstellen, darf jedoch kein Anlass für Vermieter sein, sich zurückzulehnen, sondern sollte Ansporn geben, die Wohnungsbestände, die Quartiere und ihren Service kontinuierlich zu verbessern. Ansatzpunkte dafür gibt es viele.
Wohnung und Quartier werden digital
In den letzten Jahren ist die Akzeptanz der Mieter für digitale Angebote in den Häusern und Wohnungen deutlich gestiegen. Dazu trägt auch bei, dass in den Medien immer häufiger über Produktangebote für die smarte Wohnung berichtet wird. Vieles in einer digitalen Welt ist mittlerweile selbstverständlich geworden. Bspw. wird eine schnelle Internetverbindung heute bereits weitgehend vorausgesetzt. Intelligente Energie- und Heizungssteuerungen kommen mehr und mehr zum Einsatz.

Von Vorteil ist dabei, dass die Haushalte über die Bediengeräte für viele smarte Komponenten bereits verfügen: Smartphone und Tablet gehören für die meisten Haushalte zur Grundausstattung. So ist das Pendant zum „Car Play“ – der Login für das Smart Living-System der Wohnung über das eigene Smartphone – zwar noch Zukunftsmusik, aber wartet auf Realisierung.
Insbesondere Haushalte mit kommunikativem, häuslichem und anspruchsvollem Wohnkonzept sind offen für die Vielzahl weiterer digitaler Leistungen und auch bereit, dafür einen Aufpreis zu bezahlen. Hierzu gehören zum Beispiel:
– Sensorik und Gerätesteuerung: „Smart Living“
– Logistik: automatische Bestellungen
– Augmented-Reality-Anwendungen wie zum Beispiel „Smart Shopping“
– E-Health-Anwendungen wie Tele-Diagnostik und der Einsatz von Pflegerobotern
Die Digitalisierung macht auch vor dem Quartier nicht Halt: Es gehört mittlerweile dazu, dass sich Freunde und Bekannte in der Nachbarschaft auch über Facebook oder Whats App organisieren. An der Schwelle stehen sogenannte Nachbarschafts-Apps, organisierte Social-Media-Netzwerke für die Menschen im Quartier, die sich aber erst noch etablieren müssen.
Vor dem Hintergrund der Digitalisierung wird sich die Wohnungswirtschaft intensiver mit dem Internet der Dinge befassen müssen. Dabei geht es sowohl um die Ausstattung der Wohnungen und Gebäude als auch um die Analyse von Daten: Welche digitalen Services lassen sich entwickeln, um den Mietern einen Mehrwert zu bieten? Wo können Daten erhoben werden, um daraus wertvolle Erkenntnisse zu gewinnen? Wie kann man daraus neue Erlösquellen erschließen, aber gleichzeitig gewährleisten, dass die persönlichen Daten der Mieter sicher sind und geschützt werden? Diese Fragen werden in den nächsten Jahren beantwortet werden, und es liegt auch an der Wohnungswirtschaft, sich aktiv daran zu beteiligen.
In der digitalen Transformation stehen Wohnungsunternehmen plötzlich Mitbewerbern aus anderen Branchen gegenüber, die zunehmend die vier Wände ihrer Mieter erobern und damit Informationen über das Wohnen und die Gewohnheiten der Mieter gewinnen: so zum Beispiel Anbieter von Smart-Home-Anwendungen, Pflegeunterstützung und digitalen Assistenten. Es ist zu erwarten, dass der Pool an Leistungen und damit verbunden der Erlösquellen wachsen wird. Dabei werden Wohnungsunternehmen sich stärker als bislang gegenüber Kooperationspartnern öffnen müssen. Einerseits, um schneller flexible und kundengerechtere Lösungen zu entwickeln und andererseits, um Angebote Dritter in das eigene Leistungsportfolio zu integrieren. Kurzum: Das Geschäftsmodell von Wohnungsunternehmen flexibilisiert sich. Es wird nicht länger darum gehen, nur Wohnraum zur Verfügung zu stellen.
Die Digitalisierung führt aber auch dazu, dass Wohnungsunternehmen ihre eigenen Strukturen und Abläufe überdenken. Egal, ob es um die Vermietung, die Buchführung oder das Beschwerdemanagement geht: Überall halten digitale Instrumente Einzug. Diese Entwicklung wird durch die Erwartungshaltung der Kunden befördert, die von anderen Unternehmen schnelle Reaktionen und Transparenz gewohnt sind. Wohnungsunternehmen werden sich dem nicht entziehen können.
Neue Wohnformen – Von Mikroappartements und Gemeinschaftswohnen
Die zunehmende Anzahl privater Haushalte bedeutet für die Wohnungs- und Immobilienwirtschaft, dass die Nachfrage in vielen Teilen Deutschlands noch bis zur Mitte des nächsten Jahrzehnts weiterwachsen wird. Gleichzeitig wandelt sich die Nachfragestruktur: Während traditionelle Familien an Bedeutung verlieren, spielen neue Formen des Zusammenlebens eine immer größere Rolle. Neben alleinerziehenden Elternteilen, Lebensgemeinschaften mit Kindern oder „Living Apart Together“ prägen nicht-familiäre Lebensformen zunehmend das gesellschaftliche Bild. Damit einher geht der seit Längerem beobachtbare Trend zur Bildung kleinerer Haushalte, insbesondere von Single- und Zweipersonenhaushalten.
Gleichzeitig präferiert der Großteil der Bevölkerung Städte als Wohnorte und möchte möglichst zentral wohnen. Bei hohen Wohnkosten sind sie vor allem bereit, auf Wohnfläche zu verzichten, aber wollen nicht an der Ausstattung sparen.
Das heißt: Kleine Wohnungen mit intelligenten Grundrissen sind gefragt. Mikroapartments stoßen allerdings nur bei wenigen Menschen als dauerhafte Wohnform auf Akzeptanz. Sie werden überwiegend als vorübergehende Lösung genutzt – ebenso wie Boardinghouses und Serviced Apartments. Aber solche Wohnformen haben sich in der Nische etabliert.
Der Sharing-Trend setzt sich auch in Bezug auf das Wohnen fort: In den nächsten Jahren steigen daher die Anforderungen an die Wohnungsunternehmen, flexible Nutzungskonzepte und Gemeinschaftsleben zu ermöglichen. Mittlerweile können sich 30 Prozent der Haushalte gemeinschaftliche Wohnformen vorstellen – weit mehr als bei der ersten Befragung vor zehn Jahren. Derzeitige Nischenprodukte wie Clusterwohnen, Collaborative Living und Co-Housing, aber auch die weitverbreiteten Baugemeinschaften, sind jetzt wichtige Ideengeber dafür, wie bestehende halböffentliche und gemeinschaftliche Bereiche in Gebäude und Umfeld besser und vielseitiger von den Bewohnern genutzt werden können. Hieraus ergeben sich für die Wohnungsunternehmen Chancen für die zielgruppengerechte Gestaltung des eigenen Portfolios.
Fazit
Niemand kann sicher vorhersagen, wie sich die Welt in den nächsten 20 oder 30 Jahren verändern wird. Doch aus den aktuellen Wohntrends lassen sich Entwicklungen ablesen, die sehr wahrscheinlich sind. Hierzu gehören Segregationstendenzen, die Digitalisierung von immer mehr Lebensbereichen und der Wunsch nach neuen Wohnformen jenseits der bekannten 2-, 3- oder 4-Zimmerwohnungen. Wohnungsunternehmen agieren grundsätzlich mit einem sehr weiten Zeithorizont. Insofern müssen sie diese langfristigen Trends berücksichtigen, wenn sie Entscheidungen über ihre geschäftliche Ausrichtung, ihr Immobilienportfolio und ihren Kundenservice treffen.
Haben Sie noch mehr Lust auf die Wohntrends 2035 bekommen? Die Studie ist über den GdW (www.gdw.de) erhältlich und steht für Mitgliedsunternehmen kostenlos zum Download im Intranet zur Verfügung.
Michael Neitzel ist einer unserer Referenten bei der 15. Sommerakademie des EBZ und der GdW am 18. August 2019 in Bochum.
Der Artikel gibt einen kleinen Einblick, welch spannende Themen wir mit ihm diskutieren und erörtern dürfen. Wir freuen uns sehr darauf!