
Stärkenfokussiert statt defizitorientiert: Elke Nippold-Rothes zur positiven Psychologie
Die „Positive Psychologie“ ist eine aktuelle Forschungsrichtung der wissenschaftlichen Psychologie. Sie beschäftigt sich mit der Auswirkung positiver Gefühle auf die Gesundheit und Leistungsfähigkeit des Menschen. Ihr Ziel ist, Menschen zu befähigen, ihr Potenzial voll zu entfalten und zur Geltung zu bringen. Die „Positive Psychologie“ zeigt wissenschaftlich fundierte Wege, wie Unternehmen diese Erkenntnisse in die eigene Kultur integrieren und damit zu außergewöhnlich guten Ergebnissen kommen können.
POTENZIALE UND RESSOURCEN NUTZEN
Warum ist dieser Ansatz vor allem für die Immobilienbranche interessant? Immobilienunternehmen stehen momentan vor großen Herausforderungen: Als Stichworte seien die gestiegene Nachfrage vor allem in der Wohnungswirtschaft, hohe Kundenansprüche, Digitalisierung und neue Technologien genannt. Hinzu kommt die schärfere öffentliche Beobachtung durch die Möglichkeiten der Social Media. Die Immobilienwirtschaft ist also gut beraten, die Potenziale und Ressourcen ihrer Mitarbeiter stärker als bisher zu nutzen. In vielen Fällen sieht die Realität aber anders aus: Stark reglementierte Prozesse, jahrelang eingefahrene Verhaltensmuster und wenig inspirierende Führungskräfte gehören häufig zum Alltag. Die Möglichkeiten der „Positiven Psychologie“ können Immobilienunternehmen dabei unterstützen, Führungskräfte und Mitarbeiter zu stärken. Dabei benötigen unterschiedliche Unternehmen unterschiedliche Interventionen: Die einen müssen lebendiger, agiler, schneller und ideenreicher werden. Andere brauchen eigenverantwortliche und zufriedene Mitarbeiter, die mit Arbeitsverdichtung und erhöhtem Tempo klarkommen.
In einigen Unternehmen hat das Thema als „Positive Leadership“ bereits Einzug gehalten. Dies ist ein revolutionäres Verständnis von Führung, in dem systemisches Denken mit Erkenntnissen aus der Psychologie der positiven Emotionen, der Gehirnforschung und der modernen Organisationsforschung integriert wird. Zugleich ist „Positive Leadership“ ein erprobtes Instrumentarium, mit dem Führung in Organisationen wirkungsvoller und zugleich leichter wird. Die Einstellung macht also den Unterschied: stärkenfokussiert statt defizitorientiert. Konkrete Fragen, mit denen sich Unternehmen auf Basis von „Positive Leadership“ beschäftigen, sind:
- Was befähigt Menschen, ihre Stärkenvoll zu nutzen und auszubauen?
- Wie können Mitarbeiter unterstützt werden, Ideen zu entwickeln?
- Wie lassen sich körperliche und geistige Ressourcen aufbauen und soziale Kompetenzen erweitern?
- Wie gelingt lebenslanges Lernen?
- Welche Arbeitsatmosphäre brauchen Menschen, um Leistung und Spaß an der Tätigkeit verbinden zu können?
Dabei kommt den Führungskräften eine zentrale Bedeutung zu. Neben den richtigen Personalentscheidungen wird eine konsequente Führungsausbildung gebraucht, die auf Grundlage eines im Unternehmen definierten Führungsverständnisses aufgebaut wird. Kunden und Mitarbeiter rücken dadurch gleichermaßen in den Mittelpunkt. Erste Wohnungsunternehmen haben diesen Zusammenhang erkannt und sich auf den Weg gemacht. Dazu gehört die Rheinwohnungsbau GmbH, die rund 6.600 Wohnungen in Düsseldorf, Duisburg, Meerbusch und Berlin bewirtschaftet. Das Unternehmen hat in den vergangenen Monaten eine strukturierte Führungskräfteausbildung und Zukunftswerkstätten mit allen Mitarbeitern durch geführt. Rheinwohnungsbau ist bereits vor zwei Jahren gestartet und zwar mit einer grundlegenden Analyse der Strategiefelder: Arbeit mit Sinn verbinden, positives Arbeitsklima, gute Beziehungen und positive Kommunikation. Zunächst wurde dazu eine Mitarbeiterbefragung durch geführt. Sie brachte beste Ergebnisse bei Sinn, Stolz und Verbundenheit der Mitarbeiter. Entwicklungsfelder wurden bei der Nachfolgeplanung, der Führungsstruktur und den Entwicklungsmöglichkeiten für Mitarbeiter identifiziert. Deshalb wurde gemeinsam mit der Geschäftsführung ein passgenaues Personalentwicklungskonzept entwickelt, aufbauend auf den vorhandenen Stärken. Regelmäßige Mitarbeitergespräche sind dabei ein zentrales Führungsinstrument.
Ein Jahr später legte Rheinwohnungsbau den Grundstein für eine „positiv lernende Organisation“ mit verschiedenen „Lerntransfer“-Workshops. Die definierten Maßnahmen wurden in spezifischen Trainings gefestigt, ihre Umsetzung wird nun von eigens dafür ausgebildeten Führungskräften begleitet. Auf dieser Grundlage aufbauendstartete das Unternehmen im November das Projekt RWB 2.0 – die Einbeziehung aller Mitarbeiter in Zukunftswerkstätten.
Dieser Prozess wäre ohne die vorangegangenen Aktivitäten nicht möglich gewesen. Rund 60 Mitarbeiter – Geschäftsführung, Führungskräfte, alle Mitarbeiter der operativen und zentralen Einheiten, Vertreter der Generation Y, Hauswarte – haben sich in sechs Workshops mit den Herausforderungen der Zukunft und den spezifischen Themen der Wohnungswirtschaft auseinandergesetzt: Digitalisierung, Nachhaltigkeit, Wertewandel, Demografie, Globalisierung, Arbeitswelt 4.0.
BESSERER UNTERNEHMENSERFOLG
„Unsere Mitarbeiter haben ihre besonderen Stärken eingebracht, um neue Ideen zur Kundenzufriedenheit und neue Geschäftsfelder zu entwickeln und somit unseren Unternehmenserfolg auch nachhaltig zu sichern – das schafft Mitarbeiterzufriedenheit und wirtschaftlichen Erfolg. Im Ergebnis haben wir schon jetzt eine Win-win-Situation“, resümiert Thomas Hummelsbeck, Geschäftsführer/Vorsitzender der Rheinwohnungsbau.
Ein weiteres Unternehmen, das sich bereits die Erkenntnisse der „Positiven Psychologie“ zunutze macht, ist die Hwg, eine Genossenschaft aus Hattingen mit einem Bestand von rund 4.000 Wohnungen. Die Schwerpunkte sind hier: eine strukturierte Führungskräfteausbildung, ein Personalentwicklungskonzept zur bestmöglichen Stärkenentwicklung der Mitarbeiter und ein positives Arbeitsklima durch hohe Ansprüche an die Arbeitsrahmenbedingungen. „Unseren Unternehmenserfolg führen wir im Wesentlichen auf die Kompetenzen unserer Führungskräfte und Mitarbeiter zurück, und diese Kompetenzen müssen stets aktuell gehalten werden,“ beschreibt Erika Müller-Finkenstein, Vorstand der Hwg Hattingen, die Motivation für die Maßnahmen.
Der Fokus wurde zunächst auf die Führungskräfte gelegt: Zu Beginn wurden ihre Kompetenzen analysiert, ihre (Führungs-)Persönlichkeit reflektiert und wirksame Führungsmethoden und -instrumente aufgefrischt. „Der richtige Umgang mit Feedback, sowohl von uns Vorständen an die Führungskräfte als auch von den Führungskräften an ihre Mitarbeiter und umgekehrt, erfordert ein hohes Maß an Feingefühl und Einschätzungsvermögen“, so Müller-Finkenstein.
Der dazu erforderliche Selbst- und Fremdbildabgleich, das gegenseitige Einschätzen von Kompetenzen und das Entwickeln eines Stärken- und Schwächenprofils wurden in mehreren Workshops sowohl mit der Führungsmannschaft als auch mit allen Mitarbeitern trainiert. Während der anschließenden Personalentwicklungsrunden diskutierten Vorstand und Führungskräfte die Potenziale und Entwicklungsmöglichkeiten ihrerMitarbeiter. Zudem hat Hwg einen Schwerpunkt auf die Arbeitsrahmenbedingungen gelegt: Helle, modern eingerichtete Büros, großzügige Rückzugsorte für Pausen, Sitzlandschaften, Grünpflanzen und moderne Kunst sollen ideale Bedingungen zum Arbeiten bieten.
Der wirtschaftliche Erfolg der beiden Unternehmen zeigt, dass ein positives Arbeitsklima, eine Fokussierung auf die Stärken der Mitarbeiter und ein stringenter und nachhaltiger Aufbau von positiven Beziehungen der richtige Weg für starke Immobilienunternehmen ist.
Dieser Artikel ist zum ersten Mal erschienen in der: IMMOBILIENWIRTSCHAFT 12/2016 01/2017